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AUTOMATISCHE ONLINE-ÜBERWACHUNG VON ZELLKULTUREN MIT NUMERA® UND DEM CEDEX® HIRES ANALYZER

Geschrieben von Pascal Vonlanthen | 04.05.2022 14:14:00

Einführung

In der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten sind monoklonale Antikörper das am häufigsten zugelassene biopharmazeutische Produkt, gefolgt von Hormonen, Enzymen, Impfstoffen, Produkten auf Nukleinsäurebasis und modifizierten Produkten auf Zellbasis. Die meisten biopharmazeutischen Produkte werden durch zelluläre Expressionssysteme in komplexen Bioprozessen hergestellt [1]. Die Aufrechterhaltung der Zellintegrität in allen Phasen eines Bioprozesses ist für ein optimales Zellwachstum, die Langlebigkeit der Kultur, hohe Produkttiter und Produktqualität unerlässlich. Verschiedene Bioprozessvariablen und Betriebsbedingungen beeinflussen die Parameter der Zellintegrität, wie z. B. die Zusammensetzung der Grund- und Ergänzungsmedien, die Parameter des Belüftungssystems, die Rührparameter, die Parameter der Prallplatten, das Heizsystem und die Fütterungsstrategie. Um eine optimale Bioprozessleistung zu erreichen, ist eine häufige Überwachung der Zellintegritätsparameter, insbesondere der Zelllebensfähigkeit und der Dichte lebensfähiger Zellen (VCD), von entscheidender Bedeutung [2]. Die VCD ist einer der wichtigsten Leistungsindikatoren von Bioprozessen, und VCD-Messungen werden auch häufig zur Steuerung des Zeitpunkts bestimmter Prozessereignisse wie Inokulation, Induktion, Fütterung oder Kulturernte verwendet, um eine optimale Produktivität der Kultur zu gewährleisten. Trotz erheblicher Fortschritte bei den Online- und softwaregestützten Überwachungstechnologien ist es in den meisten Fällen nicht möglich, Flüssigproben (d. h. Zellsuspensionen) als zuverlässige Quelle für Informationen über die Lebensfähigkeit von Kulturen vollständig zu vermeiden. Die manuelle Probenahme einer Kultur mit anschließender Offline-VCD-Messung ist jedoch ein mühsames, arbeitsintensives und zeitaufwendiges Verfahren [3]. Im nächsten Abschnitt werden die innovativen Bioprozess-Automatisierungswerkzeuge Lucullus® und Numera® von Securecell in Kombination mit dem Cedex® HiRes Analyzer (Roche Diagnostics GmbH) als eine optimal abgestimmte Lösung für die automatisierte Online-Überwachung und Kontrolle kritischer Zellintegritätsparameter vorgestellt.

Abbildung 1: Systemübersicht. Die verwendete Infrastruktur besteht aus zwei Ebenen: i) der Hardware-Ebene mit dem Bioreaktorsystem (mit Waagen, Pumpen, Inline-Sonden), dem automatisierten Probenahmesystem Numera® (bestehend aus Multiplexer-Modul, Kontrollmodul, Verdünnungsmodul, Routing-Modul und Filtrationsmodul von links oben nach rechts unten) mit einem Autosampler, einer Probentransfereinheit, dem Cedex® HiRes Analyzer und einem HPLC-System (nicht abgebildet). ii) der übergreifenden Software Lucullus® für die Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung aller Prozesse. Es wird keine zusätzliche Middleware benötigt. Der Probenweg für die automatisierte Probenahme und Online-Analyse ist durch eine grüne Linie hervorgehoben.
 

Integration des Cedex® HiRes Analyzers in das Numera® PAT System

Das modulare automatische Probenahmesystem Numera® kann flexibel mit den folgenden Modulen konfiguriert werden: einem Kontrollmodul, 1-4 Multiplexermodulen, einem Routingmodul, einem Verdünnungsmodul, einem Filtrationsmodul und einem Autosampler (Abbildung 1). Numera® ermöglicht die parallele Probenahme von bis zu 16 Bioreaktoren, eine nahtlose Probenverarbeitung und den Probentransfer zum Autosampler oder zu Analysegeräten von Drittanbietern. Der Autosampler wird zur Probenentnahme und Lagerung bei 4 °C verwendet. Der Cedex® HiRes Analyzer ist ein bildbasiertes Zellkultur-Analysegerät, das Informationen über Zelldichte, Zelllebensfähigkeit, Zellaggregation und morphologische Parameter wie Zelldurchmesser und Zellkompaktheit liefert. Der Analyzer bewertet diese Parameter mithilfe der Trypanblau-Ausschlussmethode in Kombination mit einem hochauflösenden Bildscanner.  Die Trypanblau-Ausschlussmethode basiert auf dem Prinzip, dass lebensfähige Zellen intakte Zellmembranen besitzen und den Trypanblau-Farbstoff ausschließen, während Zellen, die sich in Apoptose oder Nekrose befinden, ihre Membranintegrität verlieren und den Farbstoff aufnehmen [4].

Der Probentransfer vom Numera® zum Cedex® HiRes Analyzer wird durch die Verbindung des Numera® Routing Moduls und des Cedex® HiRes Analyzers mit einer von Securecell speziell für diese Integration entwickelten Probentransfereinheit (STU) realisiert. Die STU enthält ein 6-Wege-Schleifenventil und einen Flüssigkeitssensor (Abbildung 2). Die Probe wird von der Pumpe des Numera® Routing-Moduls über das 6-Wege-Schleifenventil zum Flüssigkeitssensor geleitet. Sobald die Probe am Sensor erkannt wird, wird durch die Drehung des Ventils die gefüllte 300-µl-Probenschleife mit der Cedex® HiRes-Spritze verbunden. Die Modularität des Systems und die automatische Flüssigkeitsdetektion ermöglichen eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die räumliche Konfiguration und die Länge der Probenleitung. Sobald die Messung am Cedex® HiRes Analyzer abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse automatisch an Lucullus® übertragen. Die Probenanalysemethode der Online- und Offline-Cedex® HiRes-Proben ist ähnlich, d. h., die zellulären Merkmale sind gleich und die Ergebnisse sind vergleichbar. Ein identischer Probentransfermechanismus mit geringfügigen Änderungen an der STU wird auch bei Zellanalysegeräten anderer Hersteller verwendet.

Abbildung 2: Detail des Systems. Schematische Darstellung der fluidischen Verbindung mit einer Probentransfereinheit zwischen dem Numera® Routing Modul und dem Cedex® HiRes Analyzer. Für die Integration eines Cedex® HiRes Analyzers werden mindestens ein Numera® Control Modul, ein Multiplexer Modul, ein Routing Modul und eine Probentransfereinheit benötigt. Das Dilution Module ist optional. Der Probenweg ist durch eine grüne Linie hervorgehoben.

 

In-line dielektrische Spektroskopie

Die Permittivität ist eine Materialeigenschaft, die mit Hilfe der dielektrischen Spektroskopie gemessen wird und zum Tragen kommt, wenn ein Material mit einem elektrischen Feld wechselwirkt. Die Ladungsträger des Materials richten sich nach dem Vektor des elektrischen Feldes aus und erzeugen ein Polarisationsfeld, das dem äußeren Feld entgegenwirkt und es schwächt. Je größer die Tendenz zur Ladungsverzerrung (auch elektrische Polarisation genannt) des Materials ist, desto größer ist der Wert der Permittivität. Messungen der Dielektrizitätskonstante von Zellen werden häufig zur Schätzung der Gesamt-VCD verwendet, da lebensfähige Zellen polarisieren, während tote Zellen beschädigte Membranen haben und nicht mehr polarisieren. Allerdings polarisieren größere Zellen stärker, d. h. größere Zellen machen einen proportional größeren Teil des Signals aus als die gleiche Anzahl kleinerer Zellen. Wenn ein elektrisches Feld an Zellkulturen angelegt wird, sollte die Permittivitätsmessung daher proportional zur gesamten VCD sein, stellt aber im Grunde eine Messung des Biovolumens lebensfähiger Zellen dar [3,5].

 

Material und Methoden

Automatische Probenahme einrichten

Alle beschriebenen Experimente wurden in einem Bioprozesslabor mit einer vollständig integrierten IoT-Infrastruktur (i2BPLab) an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Wädenswil durchgeführt. In der vorgestellten Anwendung wurde ein unbearbeitetes Probenfragment vom Numera® Routing Modul auf die STU und anschliessend auf den Cedex® HiRes Analyzer zur Online-Analyse übertragen (Systemparameter: Fokusoffset 25 µm, Sedimentationsdauer 60 s, CMinSize 7, CMaxSize 70, AggrMinSize 12). Alle Geräte, einschließlich des Reaktorsystems, des Numera®, des Cedex® HiRes Analyzers und eines HPLC-Systems, wurden an Lucullus® angeschlossen. In Lucullus® wurden die Proben während der Prozessausführungsphase geplant und ausgelöst, und alle Daten wurden aufgezeichnet, einschließlich der Daten von manuell gezogenen und analysierten Proben. Die automatisierte Probenahme und Analyse mit dem Cedex® HiRes Analyzer erfolgte etwa alle 3-6 Stunden, die manuelle Probenahme etwa alle 24 Stunden. Die Gesamtprozessdauer betrug 169 Stunden, einschließlich einer 20-stündigen Vorbereitungsphase für eine Sterilitätsprüfung und einer Medienkonditionierungsphase.

Anbaubedingungen

Die Kultivierung von CHO-Zellen im Fed-Batch-Verfahren erfolgte in einem 2,5-Liter-Labfors-5-Bioreaktor (Infors HT), der mit einer Incyte-Sensorsonde (Hamilton AG) für die Inline-Messung der Zellpermeabilität und einem über einen PG13,5-Anschluss angeschlossenen Tauchrohr ausgestattet war. Das Tauchrohr war mit dem Numera®-Multiplexer-Modul zur Probenentnahme verbunden. Der Reaktor wurde mit Luft (0,05 Ln/min), O2 zur Kontrolle des gelösten O2 auf 40% und CO2 versorgt. Die Sollwerte für Temperatur und Rührer wurden auf 37 °C bzw. 100 rpm eingestellt. Der pH-Wert wurde durch den CO2-Strom und die Basenzugabe auf 7,2 geregelt.

 

Ergebnisse und Diskussion

Die Durchführung eines vollständigen automatisierten Online-Analyselaufs auf dem Numera® Cedex® HiRes System dauert weniger als 15 Minuten, einschließlich der Probenentnahme mit Numera®, des direkten Probentransfers, der Analyse mit dem Cedex® HiRes Analyzer und der Reinigung der Probenleitungen. Abbildung 3 zeigt beispielhaft die Vielseitigkeit des Systems durch häufige und zuverlässige Messungen der Zellviabilität mit dem Cedex® HiRes Analyzer und von Laktat mit einem HPLC-System sowie die Flexibilität von Numera®, mehrere Analysatoren gleichzeitig zu integrieren.

Abbildung 3: Automatisierte Online-Überwachung der Zelllebensfähigkeit (orangefarbene Punkte) und der Laktatkonzentration (blaue Punkte) während eines CHO-Fed-Batch-Prozesses.
 

Die Leistung des Numera® Cedex® HiRes-Systems wurde durch einen Vergleich mit einem Inline- und Offline-Messverfahren validiert. Zu den Methoden zur Inline-Messung von Zellintegritätsparametern gehören beispielsweise die digitale holografische 3D-Mikroskopie oder die In-situ-Spektroskopie wie Raman-, Fluoreszenz- und dielektrische Spektroskopie. Hier wurden die Inline-Durchlässigkeitsmessungen mit einer Incyte-Sonde für die dielektrische Spektroskopie und die Offline-Messungen mit dem Cedex® HiRes Analyzer nach der manuellen Probenahme des Reaktorsystems durchgeführt. Die Permittivitätsmesswerte (pF/cm) korrelieren mit der VCD (Zellen/ml) und erfordern einen Umrechnungsfaktor, um die Permittivität in einen absoluten VCD-Wert zu übersetzen.

Abbildung 4: Diagramm der offline (schwarze Punkte) und online (orangefarbene Punkte) mit dem Cedex® HiRes Analyzer gemessenen Dichte lebensfähiger Zellen und der mit einer Incyte-Sonde gemessenen Inline-Durchlässigkeit (blaue Linie) während eines CHO-Fed-Batch-Prozesses.
 

Alle drei Messverfahren (in-line, on-line und off-line) sind zuverlässige Ansätze zur Überwachung des VCD (Abbildung 4). Der eindeutige Vorteil der Online- gegenüber der Offline-Methode zur VCD-Überwachung liegt in der Möglichkeit einer hohen Messfrequenz bei gleichzeitig geringerem Bedarf an Bedienern und manuellen Maßnahmen. Der vollautomatische Ansatz verringert auch die Risiken von Kontaminationen, manuellen Fehlern, Schwankungen von Bediener zu Bediener und Schwankungen der Systemparameter, die möglicherweise zu zellulärem Stress führen, der sich negativ auf den Produkttiter und die Qualität auswirken könnte.

Sowohl die Inline- als auch die Online-Messung ermöglichen eine VCD-Überwachung mit hoher Frequenz. Die geringfügigen Schwankungen des Permittivitätssignals bei 80-120 Stunden Prozesszeit fallen mit der Zugabe von Entschäumer und Glukose zusammen. Bei 150 h Prozesszeit wird eine Divergenz zwischen dem Inline- und dem Online-VCD-Messsignal beobachtet. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Kultur in der Absterbephase mit abnehmender Gesamtlebensfähigkeit der Zellen (Abbildung 5). Nach Opel et al. korreliert das Inline-Durchlässigkeitssignal während der Absterbephase einer CHO-Säugetierkultur nicht gut mit der VCD, da der Zelldurchmesser der apoptotischen Zellen zunimmt. Da die Dielektrizitätskonstante Veränderungen des Zellvolumens erfasst, sind dielektrische Spektroskopiemessungen während der Sterbephase weniger zuverlässig 6,7. Außerdem ist es nicht möglich, allein anhand des Permittivitätssignals zu unterscheiden, ob eine Signalabnahme auf den Verlust der Lebensfähigkeit oder auf eine Verringerung der Zellzahl zurückzuführen ist.

Abbildung 5: Automatisierte Überwachung der Zelllebensfähigkeit (orangefarbene Punkte) und der Permittivität (blaue Linie) während eines CHO-Fed-Batch-Prozesses.
 

Bei der mit Cedex® HiRes online ermittelten VCD sind geringfügige Abweichungen zwischen den einzelnen Messungen zu beobachten (Abbildung 4). Diese Schwankungen können erklärt werden durch: 1. den inhärenten Standardfehler des Cedex® HiRes-Analysators, 2. unvollständige Befüllung der Probenschleife der STU, d. h. wenn nicht genau 300 µL Probe in den Analysator überführt werden, 3. Probenleitungsgradienten, auch bekannt als chromatographische Effekte.

 

Schlussfolgerung und Ausblick

Der Cedex® HiRes Analyzer wurde erfolgreich in das automatisierte Probennahmesystem Numera® von Securecell integriert und die Leistung wurde während eines Kultivierungsprozesses von Säugetierzellen getestet. Die Online-VCD-Messung mit dem Numera® Cedex® HiRes-System bietet eine robuste Lösung zur Überwachung mehrerer Zellintegritätsparameter in hoher Frequenz und in Echtzeit, ohne dass manuelle Eingriffe erforderlich sind. Zusammen mit Lucullus® stellt das vorgestellte System ein hochmodernes System zur automatischen Überwachung und Kontrolle kritischer Zellintegritätsparameter unter Verwendung der bewährten Trypanblau-Ausschlussmethode dar.

Derzeit wird daran gearbeitet, diese ersten Ergebnisse zu bestätigen und das System in Bezug auf die Präzision weiter zu verbessern, d. h. die Probenahmezeit des Numera® sollte erhöht werden, um eine vollständige Füllung der Probenschleife der STU zu gewährleisten, und es sollten kürzere Verbindungsschläuche zwischen dem Numera® und der STU verwendet werden, um Probenleitungsgradienten zu verringern.

Wichtigste Ergebnisse:

  • Online-Verfügbarkeit der Referenzanalytik (Cedex® HiRes Analyzer)

  • Vollständige Automatisierung der bewährten Trypanblau-Ausschlussmethode

  • Die Online-VCD-/Lebensfähigkeitsmessungen korrelieren mit den Offline-/manuellen Messungen

  • Zentralisierte und fortschrittliche Bioprozessüberwachung und -steuerung durch Lucullus®

  • Kombination von Numera® und Lucullus® als integrierte PAT-Lösungen


Referenzen

  1. Walsh, G. Biopharmaceutical benchmarks 2018. Nature Biotechnology 36, 1136–1145 (2018).
  2. Grilo, A. L. & Mantalaris, A. Apoptosis: A mammalian cell bioprocessing perspective. Biotechnology Advances 37, 459–475 (2019).
  3. Strober, W. Trypan Blue Exclusion Test of Cell Viability. Current Protocols in Immunology 21, A.3B.1-A.3B.2 (1997).
  4. Opel, C. F., Li, J. & Amanullah, A. Quantitative modeling of viable cell density, cell size, intracellular conductivity, and membrane capacitance in batch and fed-batch CHO processes using dielectric spectroscopy. Biotechnology Progress 26, 1187–1199 (2010).
  5. Metze, S., Ruhl, S., Greller, G., Grimm, C. & Scholz, J. Monitoring online biomass with a capacitance sensor during scale-up of industrially relevant CHO cell culture fed-batch processes in single-use bioreactors. Bioprocess and Biosystems Engineering 43, 193–205 (2020).